Nach beinahe zehn Konfliktjahren ist Syrien bei knappen Ressourcen mit der COVID-19-Pandemie konfrontiert. Unzählige Familien sind betroffen.

Syrien: Lebensnotwendige Unterstützung in Zeiten von COVID-19 und Vorbereitung auf wachsende Bedürfnisse

Nach beinahe zehn Konfliktjahren ist Syrien mit knappen Ressourcen mit der COVID-19-Pandemie konfrontiert und erlebt gleichzeitig eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Über 9 Millionen Menschen in Syrien leben bereits in Nahrungsmittelunsicherheit und wurden durch einen starken Preisanstieg weiter in die Armut und Abhängigkeit von Hilfsleistungen getrieben. Unzählige Familien sind von Stellenverlusten oder enormen Einnahmeausfällen betroffen.
Article 29. Juni 2020 Syrien

Die Feindseligkeiten zu Beginn des Jahres im Nordwesten des Landes forderten zahlreiche Opfer, Massenvertreibungen und Schäden an wichtiger Infrastruktur, darunter Gesundheitszentren. Millionen von Vertriebenen leben landesweit in Lagern, provisorischen Gebäuden und teilweise zerstörten Häusern. Die jüngsten Feindseligkeiten im südlichen Idlib und im nördlichen Hama führten erneut zu Vertreibungen.

Im Nordosten Syriens leben neben den langjährigen Flüchtlingen aus dem Irak und mittellosen Frauen und Kindern aus dem Ausland weiterhin 100 000 Vertriebene, die aus den Konfliktgebieten geflohen sind. Die Lebensbedingungen in den Lagern, wo zwei Drittel der Bevölkerung Kinder sind, bleiben sehr schwierig.

Um sich an die sich seit Auftreten der COVID-19-Pandemie rasch verändernde Situation anzupassen, hat das IKRK seine humanitäre Hilfe in Zusammenarbeit mit dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond angepasst, damit die prioritären lebensrettenden Aufgaben aufrechterhalten und sichergestellt werden können. Diese Anpassungen müssen laufend vorgenommen werden, da sich Umfang und Auswirkungen der Pandemie ständig verändern. Wie mit den Bewegungseinschränkungen, die es für humanitäre Organisationen schwieriger machten, ihre Arbeit zu verrichten, wird das IKRK weiterhin Bedingungen aushandeln, um seine Programme aufrechterhalten, Versorgungskanäle sicherstellen und seine 700 nationalen und internationalen Fachkräfte im Land behalten zu können.

Unsere umfangreichen Programme in den Bereichen Wasser und Unterkunft, Gesundheit, wirtschaftliche Sicherheit und Schutz unter dem humanitären Völkerrecht erfüllen weiterhin konfliktbedingte Bedürfnisse und spielen dank ihrem Fokus auf besonders anfällige Bevölkerungsgruppen auch eine bedeutende Rolle in der Verbesserung der sanitären Bedingungen, der Ernährung und des Gesundheitszustands von Millionen von Syrerinnen und Syrern zum Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation.

Für bisherige Hilfsempfänger, die dabei unterstützt wurden, ihr Land zu bebauen oder Kleinbetriebe aufzubauen, ist weitere Unterstützung geplant, damit sie ihre Projekte festigen können. Zudem bewertet das IKRK Möglichkeiten mit Blick auf zusätzliche Unterstützung für andere hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen wie Tagelöhner, Angestellte in der informellen Wirtschaft und Selbstständige.

Das IKRK und der Syrisch-Arabische Rote Halbmond setzen sich im ganzen Land dafür ein, unentbehrliche Dienstleistungen zur Erfüllung der dringendsten Bedürfnisse sicherzustellen, zwingende Reparaturen an wichtiger Wasserinfrastruktur vorzunehmen, Essen und täglich warme Mahlzeiten an besonders hilfsbedürftige Menschen zu verteilen und die Gesundheitseinrichtungen in Gemeinden und Lagern zu unterstützen.

Aktuelle Informationen zu unserer Arbeit von Januar bis Juni 2020:

Eindämmung der COVID-19-Pandemie

Wir unterstützen den Syrisch-Arabischen Roten Halbmond dabei, die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, indem wir während drei Monaten Hygienesets an besonders anfällige Menschen und Binnenvertriebene verteilen. Zudem stellen wir Chemikalien, Verbrauchsartikel, Material für die SARC-Aktivitäten zur Infektionsprävention und -eindämmung sowie Kommunikationsaktivitäten bereit. Das Feldspital im Lager Al Hol versorgte die Lagerbevölkerung weiterhin mit wichtigen medizinischen Dienstleistungen.

Ausserdem trugen wir dazu bei, dass sich das medizinische und humanitäre Personal und die freiwilligen Helfer bei ihrer Arbeit vor COVID-19 schützen können, indem wir die Verteilung von Desinfektionsmittel und persönlicher Schutzausrüstung weiterhin intensivierten. Dieselbe Unterstützung erhielt das Personal von ausgewählten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die für hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen wichtig sind.

Das IKRK versorgte 20 000 Häftlinge mit Hygienesets und die Gefängnisbehörden mit Desinfektionsmittel für die Reinigung. Zusätzlich wird Gefängnis- und Gesundheitspersonal mit persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet und erhält Anweisungen für eine sachgerechte Verwendung.

Versorgung mit Lebensmitteln und Unterstützung bei der Sicherung der Existenzgrundlage

Da in den kommenden Monaten und möglicherweise Jahren Hunderttausende Menschen zusätzliche Unterstützung benötigen werden, besteht unsere oberste Priorität weiterhin darin, ihnen dabei zu helfen, ihre Existenzgrundlage zu sichern und für Nahrungsmittelsicherheit zu sorgen. Unsere Nahrungsmittel- und Nothilfeprogramme haben seit Beginn des Jahres 2020 bereits 600 000 Personen erreicht.

Über 260 000 hilfsbedürftige Personen, darunter ältere Menschen und Menschen mit Behinderung, erhielten von IKRK Nahrungsmittel – in Gemeinschaftsküchen wurden täglich 70 000 Mahlzeiten zubereitet. Um die Lebensbedingungen für bedürftige Familien zu verbessern, stellte das IKRK jeden Monat für rund 77 000 Personen wichtige Haushaltsgegenstände bereit. Da die Preise weiter anstiegen, versorgte das IKRK über 200 000 Vertriebene mit Hygieneartikeln.

Das IKRK stattete Bäckereien in den betroffenen Gebieten mit Arbeitsgeräten aus oder stellte diese wieder instand, um die Produktionskapazität zu steigern und somit täglich rund 330 000 Personen zu versorgen. Wir unterstützen weiterhin die Finanzierung von Strom für in der aktuellen Wirtschaftslage in Not geratene Familien, versorgen sie mit wichtigem Material für ihre Kleinbetriebe und stellten Bauern Saatgut, Düngemittel und Bewässerungsanlagen bereit.

Gesundheit

Da die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen in Syrien ausser Betrieb sind oder nur teilweise funktionieren, haben die anderen Mühe, ausreichend Personal, Medikamente und andere Güter zu erhalten. Vertriebene in provisorischen Unterkünften oder Lagern sind gesundheitlich besonders anfällig. Wir bemühten uns weiterhin besonders darum, den bedürftigsten Menschen in Konfliktgebieten Zugang zu Gesundheitsversorgung zu verschaffen.

Die Unterstützung, die das IKRK öffentlichen Spitälern bereitstellte, kam 650 000 Syrerinnen und Syrern zugute. Sie umfasste die Instandstellung von Spitaleinrichtungen, Notreparaturen sowie die Bereitstellung von Ausrüstung und Medikamenten. Das IKRK unterstützte Diabetes- und Leishmaniase-Zentren, in denen über 127 000 Konsultationen vorgenommen wurden.

Mehr als 570 000 Patientinnen und Patienten wurden in 27 vom IKRK unterstützten mobilen Krankenstationen und Polikliniken behandelt und rund 11 300 Patientinnen und Patienten im ganzen Land wurden mit dem Ambulanzdienst des Syrisch-Arabischen Roten Halbmonds transportiert.

Das IKRK/SARC-Feldspital im Lager al-Hol in al-Hasaka stellte medizinische und chirurgische Dienstleistungen für über 60 000 Personen bereit und führte 6 000 Konsultationen durch. Die physischen Rehabilitationszentren in Aleppo und Damaskus leisteten Physiotherapie-Dienste, versorgten Patienten mit Gehhilfen, Prothesen und Orthesen und reparierten diese.

Wasser und Unterkunft

Im ganzen Land litten die Menschen unter Wassermangel, da zahlreiche Wasseraufbereitungsanlagen, Versorgungsstationen und -netzwerke ausser Betrieb oder beschädigt waren. Das IKRK und der Syrisch-Arabische Rote Halbmond konzentrierten sich darauf, den täglichen Zugang zu sauberem Wasser für zehn Millionen Syrer zu verbessern, indem Wasserämter unterstützt und Wasser- sowie Abwasseraufbereitungsanlagen, Pumpstationen, Bohrlöcher und Leitungen instand gestellt wurden.

Dazu gehört auch ein grosses Wasserdesinfektionsprogramm, mit dem sichergestellt wird, dass hilfsbedürftige Menschen in verschiedenen Landesteilen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Mit Lastwagen belieferte das IKRK zudem Verteilstationen und wichtige Einrichtungen mit Trinkwasser. In Absprache mit dem Ministerium für Elektrizität stellte das IKRK an besonders anfälligen Orten die Stromversorgung sicher.