Krieg in Städten: Marawi, Philippinen

Krieg in Städten: Marawi, Philippinen

Werden Kriege in Städten ausgetragen, geht dies vor allem auf Kosten der Zivilbevölkerung. In dieser Serie gehen wir den verheerenden Auswirkungen auf jene Menschen nach, deren Strassen zu Frontlinien geworden sind.
Article 17. Februar 2022 Philippinen Vereinigtes Königreich Irland

Das IKRK hat jüngst einen Bericht herausgegeben, in dem die tödlichen Optionen geschildert werden, die Menschen in Städten nach dem Einsatz von Explosionswaffen im Krieg noch offenstehen: Sie müssen entweder ihre Häuser und ihr Leben für immer verlassen oder in eine zerstörte Umgebung zurückkehren und ohne grundlegende Infrastruktur und in Strassen, die oft mit nicht explodierten Kampfmittelrückständen übersät sind, leben.

In Marawi, einer Stadt im Süden der Philippinen, können rund 100 000 Zivilisten, die im fünfmonatigen Konflikt von 2017 vertrieben wurden, aufgrund der unermesslichen Schäden immer noch nicht nach Hause zurückkehren. Viele von ihnen bleiben in provisorischen Unterkünften oder leben bei Verwandten, während jene, die zurückgekehrt sind, in einer Stadt wohnen, die ihrer alten Heimat nicht einmal mehr ansatzweise gleicht.

Während der Kämpfe wurden Explosionswaffen mit „Breitenwirkung" eingesetzt. Dabei handelt es sich um Waffen mit einem grossen Explosionsradius, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, das gewünschte Ziel zu treffen. Werden solche Waffen jedoch in einer Stadt wie Marawi eingesetzt, können sie alles rundherum zerstören.

Viele Menschen hatten kein Zuhause, in das sie zurückkehren konnten. Zugang zu Trinkwasser, geschweige denn zu Wasser, um zu duschen, zu kochen und sich zu waschen, gab es kaum. Strom war nicht vorhanden. Zahlreiche Geschäfte wurden geschlossen, viele Jobs waren einfach verschwunden.

Einige Teile der Stadt waren nicht erreichbar, da die Strassen schwer beschädigt waren.

Marawi nach dem Konflikt. IKRK/Martin San Diego.

Das IKRK-Team des Vereinigten Königreichs und Irlands konnte mit Leo Quiniquiz sprechen, ein IKRK-Techniker, der unseren humanitären Einsatz in Marawi seit 2019 unterstützt.

Der IKRK-Techniker im Bereich Wasser und Unterkunft, Leo Quiniquiz (links) führt bei einem Bohrloch an einem provisorischen Standort einen Pumptest durch.

Ich heisse Leo und bin Techniker im Team Wasser und Unterkunft. Wir tragen dazu bei, dass von Konflikten betroffene Menschen Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäranlagen erhalten und arbeiten daran, ihre Lebensorte zu verbessern, um ihr Leiden zu vermindern.

Wie hat das IKRK den Vertriebenen in Bezug auf Wasser und Unterkunft geholfen?

Wir arbeiteten eng mit dem Philippinischen Roten Kreuz zusammen und wussten, dass es in den Bereichen Wasser und Unterkunft zwei wichtige Herausforderungen gab: Tausende vertriebener Menschen lebten an provisorischen Standorten ausserhalb der Stadt und benötigten sowohl Zugang zu Trinkwasser als auch eine elementare Unterkunft.

In Zusammenarbeit mit dem Philippinischen Roten Kreuz stellt das IKRK in einem provisorischen Lager Wasser für die Flüchtlinge bereit. IKRK/Martin San Diego

Für das Wasser organisierte das Philippinische Rote Kreuz einen Lastwagen, der den Vertriebenen an zwei Standorten täglich Wasser lieferte, während wir sie dabei unterstützen, die Fahrzeuge zu warten, Benzin bereitzustellen und einen Wassertank einzurichten.

Zudem verbesserten wir ein seichtes Bohrloch und machten Vertriebene mit den erforderlichen Kompetenzen ausfindig, die sich künftig um den Betrieb und den Unterhalt der Wasserquelle kümmern können.

Das ist stets unser Ziel: Den Menschen die Werkzeuge in die Hand zu geben, damit sie sich selbst helfen können, ihnen beim Aufbau dieser Kapazitäten zu helfen und ihnen das Projekt mit Blick auf seine nachhaltige Fortführung dann zu übergeben.

Wie viel Wasser brauchen Menschen jeden Tag?

Im Vereinigten Königreich verbraucht eine Person durchschnittlich rund 142 Liter Wasser, doch in Konfliktgebieten steht einer Familie gezwungenermassen oft nur rund ein Zehntel davon zur Verfügung. Sie erhalten gerade einmal 15 Liter pro Person und Tag, wobei ein Haushalt oft mit ein paar Kanistern voll Wasser auskommen muss.

Ein Mädchen holt in Marawi Wasser – IKRK / Vee Salazar

Wir arbeiteten auch an der Verbesserung der Wohnverhältnisse an einem provisorischen Standort. Eines der grössten Probleme bestand darin, dass die Dächer nicht mehr dicht waren, wodurch das ganze Hab und Gut der Familien bei Regen komplett durchnässt wurde.

Anstatt Dritte mit der Reparatur zu beauftragen, nutzten wir diese Gelegenheit wiederum dazu, den Menschen beizubringen, wie sie sich selbst helfen können. Wir fanden Personen – wenn möglich in jedem Haushalt –, die in der Lage waren, diese Aufgabe zu übernehmen. Wir stellten ihnen Werkzeug, Ausbildung und technische Unterstützung bereit, damit sie die Dächer reparieren konnten und bezahlten sie für ihre Arbeit.

Erneut konzentrierten wir uns darauf, den Menschen beizubringen, wie sie ihren Familien selbst helfen können.

Leo (rechts) unterstützt eine binnenvertriebene Familie aus Marawi dabei, ein Netz über ihr frisch repariertes Palmendach zu spannen. Das Netz soll vor dem Verfall schützen.

Wie sieht die Lage in der Stadt Marawi aus?

In der Stadt konzentrieren wir uns insbesondere darauf, die Wasserinfrastruktur wieder instand zu stellen.

In einem ersten Schritt arbeiteten wir mit der für Wasser zuständigen Stelle der Stadt Marawi zusammen, versuchten herauszufinden, womit wir ihr helfen könnten, spendeten Material und reparierten, was wir konnten. Nachdem die grössten Schäden behoben waren, konnten wir rund 50 % der ursprünglichen Kapazität wiederherstellen, indem wir einige wichtige Elemente für ihr Funktionieren, darunter Brennstoff und Chlor, bereitstellten. Zudem renovierten wir das Hauptgebäude, das durch die Belagerung teilweise beschädigt worden war.

Es ist eine paradoxe Situation: Der Betrieb des Wassersystems in der Stadt wird teilweise durch die Wasserrechnungen finanziert, doch viele Menschen sind nicht in ihre Häuser zurückgekehrt, da sie keinen Zugang zu Wasser haben. Folglich kann sich der Betreiber die zur Wiederinstandstellung erforderlichen Infrastrukturarbeiten nicht leisten. Ohne Wasser keine Kunden, aber die Kunden kommen nicht zurück, weil es kein Wasser gibt.

Wir arbeiten mit der für das Wasser zuständigen Stelle und unseren Partnern daran, die Wasserversorgung in Marawi wieder instand zu stellen. Wir sanieren alle bestehenden Wasserpumpstationen und ersetzen in gewissen Teilen der Stadt alte Leitungen.

Dies bedeutet, dass es in den Gebieten, die durch den Konflikt zerstört wurden, nach wie vor gar kein Wasser gibt. In weniger stark betroffenen Gebieten hingegen können zumindest die Häuser mit Wasser versorgt werden. Die Regierung schafft zudem viel Wasser mit Lastwagen herbei, um die Kapazitäten zu erhöhen.

Der Weg ist noch weit, doch es ist ein Anfang. Hoffentlich wird sich der Zugang mit der Zeit verbessern, damit die Menschen zurückkehren und ihr Leben, ihre Häuser und ihre Stadt wieder aufbauen können.

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