Nigerianer suchen eigene innovative Lösungen für humanitäre Bedürfnisse

23. Juli 2018

Spannung liegt in der Luft, als Abubakar nach vorn geht und sein Projekt vorstellt: ein Bewässerungssystem, das den Wasserbedarf von Pflanzen automatisch feststellt und dann exakt die erforderliche Wassermenge abgibt.

In Nigeria haben viele Menschen nach neun Jahren bewaffneter Konflikte kaum etwas zu essen, und überdies regnet es zu wenig. Abubakars Bewässerungssystem könnte die Ernährungssicherheit im Land fördern.

Abubakar ist einer der jungen Nigerianer im Zentrum für humanitäre Innovation in Yola im Bundesstaat Adamawa. Hier werden innovative Ideen zur Lösung der enormen Probleme entwickelt werden, mit denen Millionen Menschen im konfliktreichen Nordosten des Landes konfrontiert sind.

Das Zentrum für humanitäre Innovation wurde mit Unterstützung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vom staatlichen Programm für soziale Investitionen eingerichtet, das dem Büro des Vizepräsidenten angegliedert ist. Die Partner organisierten ein „Macherforum", dessen Teilnehmer Ideen vorstellten, wie auf die spezifischen Bedürfnisse des Nordostens einzugehen ist.

Ein langer Weg 

Zunächst wurde akuter humanitärer Bedarf in folgenden sechs Bereichen ermittelt: Wiederaufbau und wirtschaftliche Sicherheit, Zugang zu Gesundheit, Zugang zu Bildung, Schutz und Widerstandsfähigkeit konfliktbetroffener Gemeinschaften, Ernährung und Ernährungssicherheit sowie Koordination und Verwaltung der Lager. Mehr als 1 500 Projektideen wurden eingereicht und geprüft.

Die Projekte wurden in Abuja und Yola gesichtet; Bewerber mit Innovationen, die für den Nordosten relevant waren, soziale Wirksamkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit erwarten liessen und Aussicht auf Erfolg boten, wurden in ein Bootcamp im Feld geschickt. Dort wurden die Projekte von den Bewerbern und Personen aus den betroffenen Gemeinschaften gemeinsam begutachtet, diskutiert und weiterentwickelt. Die Bewerber konnten sich beraten lassen, Gedanken austauschen und die Kontakte zu den Betroffenen vertiefen.

„Dank der Interaktion mit Vertriebenen vor Ort haben wir unser Konzept nochmals verbessern können, sodass das Projekt jetzt für alle erschwinglich ist und dennoch einen Gewinn für uns abwirft", sagte Eliot Wogu, Gründer des Techno-vation Hub, einer Sicherheitssoftware, die Eltern erlaubt, die Bewegungen ihrer Kinder zu verfolgen – was gerade in einer Region wichtig ist, wo immer wieder Kinder entführt werden.

Am 5. Juni 2018 wurde das Zentrum für humanitäre Innovation lanciert. Zwölf Finalisten stellten Investoren und Akteuren aus dem öffentlichen und dem Privatsektor ihre Ideen vor; anwesend waren auch der nigerianische Vizepräsident sowie Vertreter des IKRK und anderer humanitärer Partner. Das Zentrum soll als Drehscheibe für die Weiterentwicklung und Umsetzung dieser innovativen Ideen dienen und damit zur Lösung der humanitären Probleme des Nordostens beitragen.

Zukunftsperspektiven 

Von der Einrichtung einer Offline-Bibliothek für Kinder, die wegen eines Konflikts nicht zur Schule gehen können, bis hin zur Verteilung von Hygieneartikeln, die gerade für Frauen in Vertriebenenlagern besonders wichtig sind – das Potenzial des Zentrums ist beeindruckend.

Babazana Abdulkareem, ein junger Mann aus Borno, einem Bundesstaat im Nordosten, der durch den bewaffneten Konflikt schwer in Mitleidenschaft gezogen ist, entwickelte den „Kin Reunifier", der Familien wieder mit Angehörigen vereint, die vertrieben worden waren.

„Die Idee hatte ich, als ich 2015 in einem Vertriebenenlager arbeitete und dort sah, wie viele Kinder durch den Konflikt von ihrer Familie getrennt waren", sagte er.

Der Kin Reunifier sucht nicht nur in Nigeria nach vermissten Personen, sondern auch in den anderen vom Konflikt betroffenen Ländern des Tschadseebeckens, und nutzt zu diesem Zweck eine mehrsprachige Schnittstelle (Englisch, Französisch und Arabisch).

In den nächsten drei Monaten werden die Jungunternehmer in den Co-working-Büros, den Werkstätten und den Schulungen des Innovationszentrums zusammenkommen, um ihre Produkte mithilfe einer Vielzahl von Ressourcen und Sponsoring seitens strategischer Partner wie dem IKRK weiterzuentwickeln.

Seit mehr als 30 Jahren ist das IKRK in Nigeria in den unterschiedlichsten humanitären Situationen tätig. In den letzten neun Jahren hat es gefährdete Bevölkerungsgruppen in den Staaten des Nordostens geschützt und unterstützt. Das Zentrum für humanitäre Innovation ist eine der vielen Möglichkeiten, bei der Suche nach Lösungen für humanitäre Probleme neue Wege zu gehen.